Kann man an zu viel Gefühl sterben? – Ich war lange Zeit davon überzeugt, dass das geht, und auch heute noch steckt diese Angst in mir. Wenn ich die Todesangst von damals nochmal zulasse, noch einmal durchlebe, sterbe ich daran.
Angst nimmt Atem, lähmt. Tötet sie auch?
Ich habe damals im Krankenhaus eins gelernt – sobald ich meine Angst zeige, werde ich fixiert. Ich werde nicht getröstet, ich werde doppelt und dreifach gequält, geradezu gefoltert. Das führte zu richtiger Todesangst, aber irgendwann war ich still. Ich gab auf. Ich gab den Kampf auf. Um nicht zu sterben, um nicht umgebracht zu werden.
Ein Teil von mir starb dennoch. Oder nein, starb nicht, verschwand in der allerhintersten Ecke, machte sich ganz winzig und sammelte alle Angst von da an auf. Wie ein Magnet zog der Teil die Angst an. Nahm die Angst an sich und schloss sie ein.
In mir wohnt quasi ein zweijähriges kleines Mädchen, voller Todesangst, in einer Art Tresor, und hält die Türen zu. Die Maus hat so unglaublich viel Angst aufgesogen, dass ich mich fürchte, den Tresor auch nur anzufassen, weil er vielleicht explodiert und am Ende doch tötet.
Verdammt, verdammt, verdammt. Was nun? Was, wenn ich den Tresor öffne? Was finde ich dort?
Ich weiß nicht, was schlimmer ist. Ein kleines Mädchen voller Todesangst, weinend in einer Ecke, oder eine Explosion, die alles mitreißt.
Ich fürchte, ich werde es herausfinden müssen, ich werde den Mut aufbringen müssen. Sonst sterbe ich am Ende doch. Vor Angst.